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| Josephine und Babs Brunton aus James St. Kilkenny, 1892 |
Auch nach der Entstehung der Tanzschulen und der landesweiten Organisation des Tanzes als kulturelle Bewegung durch An Conradh blieben die Tänzer und Tänzerinnen relativ dezent, aber durchaus elegant gekleidet. Zum Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts trugen die Frauen beim Tanz allgemein ein weißes Kleid mit grünen Bändern und mit Schärpe, sowie als Brat ein Schultertuch oder einen Umhang mit Kapuze. Bei den Männern blieben die Kniehosen, oft mit Kummerbund, beliebt. Dazu wurde ein weißes Hemd, im 18. Jahrhundert bis Mitte 19. Jahrhundert oft mit Halstuch, dann bis Mitte 20. Jahrhundert mit Schleife, getragen. Der Schwalbenschwanzfrack, der auf einigen Fotos von Tänzern aus dieser Zeit zu sehen ist, wurde jedoch nur für das Portrait getragen, nicht zum Tanzen. Allgemein wurde zum Tanz weiterhin die Alltagskleidung oder bei besonderen Anlässen die übliche Festkleidung getragen. Jedoch versuchte An Conradh ab ihrer Gründung 1893 eine "charakteristisch irische" Tanzkleidung zu etablieren, die als traditionell definiert wurde, tatsächlich aber ein künstliches Produkt ohne echten Traditionsbezug darstellte. Ihre Vorstellungen von typisch irischer Tanzkleidung entlehnten die nationalistischen Aktivisten von An Conradh nicht aus der lebendigen irischen Volkstradition, die als allgemein-europäisch und zu unspezifisch abgelehnt wurde, sondern sie schufen sich ein völlig neues romantisches Idealbild, das nicht zuletzt auch durch die ebenfalls romantisierende moderne Kleidung der keltischen Brüder und Schwestern in Schottland beeinflusst war.
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| Eight-Hand Reel Class von Hugh O'Neill, All-Ireland Champions, 1902 |
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts blieb die irische Tanzbewegung von den Vorstellungen von An Conradh jedoch noch völlig unbeeindruckt. So tragen die Männer auf einem Foto der Céilí-Klasse von Hugh O'Neill von 1902 Kniehosen mit Kummerbund und weiße Hemden mit Schleife, während die Frauen in knöchellangen farbigen Kleidern, weißen Schürzen und vorn gekreuzten, recht kleinen schalartigen Schultertüchern zu sehen sind. Jegliche Verzierungen, etwa keltische Knotenmuster oder andere Stickereien, fehlen völlig.
Zwischen 1890 und 1915 war bei den Tänzerinnen vor allem das Colleen-Bawn-Kostüm üblich. Es bestand aus einem oft grünen Umhang mit Kaputze und einer Schürze vor dem oft weißem Kleid. Gelegentlich wurde ein kleines Körbchen am in die Hüfte gestützten Arm getanzt. Dieser Kostümtyp wurde noch vereinzelt bis um 1920 für den Tanz getragen, wurde dann aber endgültig als zu bewegungseinschränkend aufgegeben. Auf Bildern in Francis O'Neills "Irish Minstrels and Musicians" von 1913 ist neben diesem Kostümtyp das zu dieser Zeit langsam beliebter werdende Long-Dress-and-Shawl-Kostüm zu sehen: lange glatte Kleider, sowie relativ großer Schal, der nur an einer Schulter mit Tara-Brosche und im Bogen über den Rücken hängend an der gegenüberliegender Hüfte befestigt war. Schal und Kleid wiesen nun dezente Stickereien auf. Diese blieben jedoch auf einzelne Symbole beschränkt. Größere Muster wurden, schon wegen des Aufwandes der Herstellung, nicht verwendet. Das Kleid wurde durch eine Kordel ergänzt, die um den Bauch geschlungen wurde und deren Enden in der Mitte bis etwa auf Kniehöhe herabhingen. Als Kopfschmuck wurde entweder ein Haarband oder eine dezente Tiara getragen, was bis dahin völlig unüblich war. Diese Art des Kostüms war als sogenanntes "Irish Costume" oder "Gaelic Costume" von Mitgliedern von An Conradh kreiert worden, um die Zugehörigkeit zur kultur-nationalistischen irischen Bewegung zu demonstrieren. Es wurde zuerst meist als Sonn- und Feiertagskleidung getragen und kam erst ab etwa 1915 auch bei den irischen Tänzerinnen immer mehr in Gebrauch. Dieses Kostüm kann als Prototyp des heutigen Tanzkostüms angesehen werden.
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| Harry Whitty und seine Schülerinnen, die McAneamey-Schwestern, Auckland, New Zealand, 1908 |
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| Essie Connolly Dancers, Dublin, Anfang 1920er |
Im Gegensatz zu den bodenlangen Kleidern der erwachsenen Tänzerinnen trugen jüngere Mädchen beim Tanz wie auch im Alltag schon zu dieser Zeit wesentlich kürzere Kleider. Diese besaßen oft einen voluminöseren Rock, der aber nur bis zu den Knien oder kurz darunter reichte. Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 20er Jahre wurde dafür oft Spitze verwendet, während das Kostüm viele Rüschen und Falten aufwies. Trugen die Kinder Schuhe, wurden außerdem Kniestrümpfe oder lange Strümpfe, als Kontrast zum weißen Kleid oft in dunklen Farben, getragen.
Wie Troy Kinney und Margaret West Kinney in ihrem Buch "The Dance" schrieben, trugen auch die Männer von 1914 weiterhin Kniehosen mit Kummerbund, sowie Hemden mit Schleifen. Entsprechend ihrer Beschreibung tanzten die Frauen in ihren langen Kleidern mit Umhang mit über den Kopf gezogenen Kaputzen.
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| Evelyn O'Connor, Schülerin von Essie Connolly, 1928 |
In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die einteiligen Kleider durch eine Kombination aus einfach geschnittenem Oberteil und das Knie bedeckendem Faltenrock abgelöst. Das Oberteil besaß oft einen gehäkelten weißen Spitzenkragen und ebensolche Manschetten. Beides bestand aber gelegentlich auch aus einem wollähnlichen Material. Lily Comerford verwendete für ihre Schülerinnen einfache weiße Kragen und Manschetten, was von vielen Lehrern übernommen wurde. Das Schultertuch oder Brat, nun in der gleichen Farbe wie das Kleid, wurde weiterhin über beiden Schultern getragen. Es war meist rechteckig, sehr groß und bedeckte die Schultern, die Arme, die Seiten, den Rücken und fast das gesamte Oberteil der Kleider. Die zwei oberen Ecken des Bat wurden unter der Brust durch eine Tara-Brosche zusammengehalten und am Kleid befestigt.
Als Kleiderfarben wurden nun außer Weiß auch Grün und Safran üblich. Safran oder englisch Saffron war eigentlich ein helles Gelb, das aus dem gelben Krokus gewonnen wurde. Es war bei den alten Iren als Stofffarbe sehr beliebt. Zu dieser Zeit wurde diese Bezeichnung aber für ein eher dunkles Ocker verwendet, das sowohl von Frauen, als auch von Männern als Kleidungsfarbe getragen wurde. Rot wurde hingegen gemieden, da es den irischen Nationalisten als Farbe der englischen Besatzungstruppen galt. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts war Rot jedoch bei den irischen Frauen die beliebteste Farbe für Röcke und Unterröcke. Der auf Druck der Nationalisten erfolgte Verzicht auf die rote Farbe stellte somit eigentlich einen Bruch der Tradition dar, die gerade verteidigt werden sollte. Was Tradition ist, wurde nicht anhand der Realität bestimmt, sondern politisch entschieden.
Zusätzlich zur diversifizierten Farbwahl wurde es nun auch mehr üblich, die Kostüme sparsam mit Verzierungen aus bunten keltischen Knotenornamenten zu besticken. Das war jedoch entgegen der offiziellen Begründung nur eine Frage des Aussehens und nicht wirklich die Fortsetzung einer irischen Tradition. Traditionell wurden Knotenmuster, die spezielle Bedeutungen hatten und profane, spirituelle oder religiöse Symbole verschiedenster Art darstellten, jahrhundertelang in Irland kaum verwendet. Die wenigen für Festkleidung und später auch für Tanzkleidung verwendeten Knotenstickereien hatten lokale Bezüge und waren regional spezifisch. Dies wurde nun jedoch zunehmend in eine universelle Einheitskultur eingeebnet, in der es nur darauf ankam, dass etwas möglichst "irisch" aussah. Dazu wurden die keltischen Muster des Book of Kells und ähnliche historische Schriften als Vorbilder herangezogen und blieben lange Zeit die Quellen für die zunehmend aufwändiger werdenden Stickereien auf den irischen Tanzkleidern.