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Die irische Tanzkultur entzieht sich nicht nur durch das Set Dancing zunehmend der Kontrolle von An Coimisiún. Zwar waren erste Versuche in den 70er bis 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, den irischen Wettkampftanz als Showtanz umzugestalten, wenig erfolgreich. Aber die bezeichnenderweise amerikanische Show "Riverdance" machte, inspiriert und choreografiert von Michael Flatley, den Irish Step Dance zu einem weltweit bekannten Showtanz, der seitdem ein begeistertes Millionenpublikum fand und auch viele Nicht-Iren dazu gebracht hat, sich selbst im Irish Step Dance zu versuchen. Nicht zuletzt waren es die männlichen Stars dieser Shows, die dafür sorgten, dass auch wieder mehr Jungs und Männer zum Tanz fanden. Und erst diese Shows und die wegen ihres Erfolges möglich gewordenen unzähligen kleineren weiteren Produktionen machten es den Irish Step Dancers möglich, aus ihrem Hobby, ihrem Sport, einen Beruf zu machen, was bis dahin nur als Tanzlehrer möglich war.
Michael Flatley und Jean Butler, Riverdance beim Eurovision Song Contest, Dublin, 1994
Michael Flatley und Jean Butler, Riverdance beim Eurovision Song Contest, Dublin, 1994
Der erste Auftritt von Michael Flatley und Jean Butler mit "Riverdance" im Begleitprogramm des Eurovision Song Contest in Dublin am 30. April 1994 führte zu einer wahren Revolution und machte den bisher international außerhalb der irischen Gemeinschaft völlig unbekannten und national nur als Sport wahrgenommenen irischen Tanz auf einen Schlag berühmt. Der nur sieben Minuten dauernde Akt von Produzentin Moya Doherty war eigentlich nur zur Überbrückung der Pause vorgesehen, wurde aber zur eigentlichen Sensation - und spaltete die gesamte irische Tanzwelt. Während das Publikum national und international jubelte, waren irische Traditionalisten schockiert über den Bruch mit der offiziellen Tradition.
Riverdance - The Show, 1995
Riverdance - The Show, 1995
Riverdance - The Show, 1995
Dem Kurzauftritt im Fernsehen folgte 1995 mit "Riverdance - The Show" eine abendfüllende Tanzshow, in der Colin Dunne nach den ersten Auftritten Michael Flatley ersetzte, der die Choreografie der irischen Showteile kreiert hatte. Diese Show mit der von Bill Whelan komponierten und arrangierten Musik wurde schnell zum populärsten Tanzereignis weltweit. 1996 folgte mit "Lord of the Dance", von Michael Flatley choreografiert und produziert, ein weiteres Highlight des modernen Irish Stage Dance. Diesmal war es Ronan Hardiman, der die Musik beisteuerte. Mit dieser Show trieb Flatley die Begeisterung für den Irish Dance international und auch in Irland sebst zu neuen Höhepunkten. Die Iren überall auf der Welt hatten nun etwas, auf das sie im Angesicht der ganzen Welt stolz sein konnten.
Die modernen irischen Tanzshows hatten selbst die schärfsten Traditionalisten in eine prekäre Lage gebracht. Einerseits lehnten sie die Traditionsbrüche ab, andererseits lebten die irischen Tanzschulen von der Begeisterung, die die Shows auslösten, und von der beruflichen Perspektive, die sie den Tanzschülern boten. Schließlich hatten die Shows innerhalb weniger Jahre mehr zur Verbeitung des irischen Tanzes getan, als es die organisierten Traditionalisten über hundert Jahre hin vermochten.
Olive Hurley, 2001
Olive Hurley, 2001
Man sollte meinen, dass die auch über Videos und TV verbreiteten größeren und kleineren Shows zu einer Öffnung des sehr auf Geheimhaltung der Tanzschritte gerichteten irischen Wettbewerbssystems geführt haben sollten. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts achteten die Tanzschulen und Wettbewerbsveranstalter noch immer streng darauf, dass keine Videoaufnahmen von Solo und Figure Dances nach außen gelangten. Lediglich die Céilí Dances und traditionellen Solo Set Dances bildeten hier eine Ausnahme, da ihre Publizität von An Coimisiún besonders gefördert wurde. Die Céilí Dances sind wichtiger Bestandteil der T.C.R.G.-Prüfung. Für viele angehende Tanzlehrer war aber das mit vielen Unklarheiten durchsetzte Buch "Ár Rince Fóirne", "Unser Volkstanz", wie es in aktueller Version heißt, lange Zeit die einzige Informationsquelle. Das änderte sich, als Olive Hurley, Tanzlehrerin aus Dublin, in Zusammenarbeit mit Maitiu Ó Maoiléidigh, in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine vierteilige Videoserie produzierte, in der alle 30 offiziellen Céilí Dances eingängig demonstriert wurden. Olive Hurley veröffentlichte auch eine bisher dreiteilige Reihe von Lehrvideos für Solo Dances, sowohl Step Dances als auch Solo Set Dances, einschließlich einiger traditioneller Sets. Andere Tanzlehrer, vor allem Showstars, die ihre Bekanntheit nutzen wollten, um sich eine weitere Einkommensquelle zu erschließen, folgten mit eigenen Lehrvideos zum Step Dancing. Das angebotene Material ging aber nie wirklich über Beginner Steps hinaus und war so eher eine Werbung, die Klassen und Workshops der betreffenden Lehrer zu besuchen. Erst 2005 veröffentlichte Jean Butler ein Video, in dem auch kompliziertere Techniken erklärt wurden, auch wenn sie sich im Bereich der Choreografie ebenfalls relativ bedeckt hielt.
Pat Murphy, 2004
Pat Murphy, 2004
Die wieder populär gewordenen Social Set Dances werden im Gegensatz zu den Solo und Figure Dances ohnehin nicht in den Schulen des offiziellen Wettbewerbssystems gelehrt und werden daher von den sie lehrenden Tanzlehrern gern weitergegeben. Besonders der Brooks Academy in Dublin kommt hierbei das Verdinst zu, durch Produktion einer bisher neunteiligen Videoserie für eine über den direkten Tanzschulkontakt hinausgehende Verbeitung gesorgt zu haben. Dazu kamen umfangreiche Bücher von Pat Murphy und Tom Quinn, immer mehr aber auch die Verbreitung von Tanzbeschreibungen der verschiedenen Sets über das Internet.
Das Solo Dancing war in den 80er, vor allem aber in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wesentlich raumgreifender geworden. Statt des Tanzes auf dem Silbertablett wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor allem in den höheren Leistungsklassen die gesamte zur Verfügung stehende Tanzfläche genutzt. Auch die Sprünge wurden erheblich höher, und Kicks, Casts und Raises wurden nun teilweise bis in Hüfthöhe und darüber hinaus gezogen. Der klassisch irische Tanz auf den Ballen wurde immer mehr zu einem Tanz auf den Zehenspitzen. Aus einer leicht gekreuzten Fußstellung wurde mehr und mehr eine weit überkreuzte X-Position. Allgemein ging die Tenzdenz hin zu athletischen Höchstleistungen. Dies hat dazu geführt, dass der offizielle irische Wettkampftanz zum Beginn des 21. Jahrhunderts zwar noch als traditionell bezeichnet wurde, aber streng genommen eigentlich Modern Irish Dancing geworden war, das sich von der traditionellen irischen Tanzcharakteristik erheblich entfernt hatte. Selbst rhythmisch begannen sich Synkopierung und andere Eigenarten, die eigentlich dem amerikanischen Modern Dance entsprachen, auszubreiten. Das war weniger den großen Shows zu verdanken, sondern eher der Tatsache, dass die Tänzer nach neuen Wegen suchten, um bei Wettbewerben gegenüber den anderen Bewerbern herauszustechen und Vorteile zu erringen. Daher entwickelten auch die Wettkampftänzer gewisse Showelemente, nicht für ein Publikum, sondern um die Wertungsrichter zu beeindrucken. Doch trotz aller Neuerungen blieben steife Körper- und Armhaltung sowie die gekreuzte Beinhaltung erkennbare Stilmerkmale dieses Modern Irish Dancing.
Die heutige Begeisterung für den Irish Step Dance ist jedoch eindeutig den großen Shows zu verdanken. Man muss aber feststellen, dass der Showtanz zwar den Irish Step Dance zur Grundlage hat, aber auch viele Showelemente und Einflüsse aus dem American Tap Dance aufweist, die nicht "klassisch irisch" sind. Wer jedoch Irish Step Dance nicht als Wettbewerbssport praktizieren will, sondern einfach weil es Spaß macht, der wird daran keinen Anstoß nehmen und kein Problem damit haben, sich nicht streng an die Regeln der irischen Tanzkommission zu halten. Irish Dancing ist eine lebende Kultur, die sich weiterentwickelt. Das trifft sowohl auf die Schritte und Techniken, als auch auf die Form der Tänze zu - und nicht zuletzt natürlich auf die Tänzer, die heute bereits aus allen möglichen Ländern und Völkern kommen. Und die Begeisterung dieser Tänzer für den speziell irischen Stil ist es ja, die sie zum Irish Dancing führt und deshalb auch zum Erhalt dieses Stiles beiträgt. Diese Begeisterung für den Stil ist es auch, die den Einfluss von echten Verfälschungen auf die irische Tanzgemeinschaft auf natürliche Weise begrenzt, denn sicher muss man die zwar modernen, aber auf irischen Traditionen basierenden Tanzshows von jener Vielzahl von Nachfolgern und Kopien unterscheiden, die zwar das Attribut "Irish Dancing" für sich in Anspruch nehmen, aber tatsächlich nur einen Modetrend zur Bereicherung ausnutzen, ohne wirklich Irish Dancing zu bieten. Es ist daher nicht so sehr die mögliche Vermischung des irischen Stiles mit anderen Tanzformen, sondern die Drift hin zu Höchstleistungen, die das Irish Dancing heute bedrohen. Man versucht, immer schneller und beeindruckender zu tanzen, verzichtet dabei aber zunehmend auf korrekte Stilistik und Technik und vereinfacht die Schritte. Der Tanz wird in seiner Hektik uncharakteristisch und einförmig. Diese Tendenz zeigten Showtanz und Wettkampftanz zum Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts gleichermaßen, und ebenso sogar die Freizeittänzer, die den Shows nachzueifern versuchten. Und nicht nur das im Show- und Wettbewerbsbereich beheimatete Step Dancing zeigte diese Tendenz, sondern auch das eher gesellschaftlich orientierte Set Dancing. Allerding bestand dieses Problem bereits zu Zeiten der alten Tanzmeister, so dass zu erwarten ist, dass das Irish Dancing auch unter modernen Bedingungen als einziartige Tradition fortbestehen und erblühen wird.

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Irish Dance, Irish Dancing, Irischer Tanz
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Letzte Änderung: 1. Januar 2007 - © Kunst des Denkens 2003-2007
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