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Step Dancing, 1950er
Step Dancing, 1950er
Im Solo Dancing nahm die Variabilität der getanzten Steps ab Mitte des 20. Jahrhunderts infolge der harten Konkurrenz bei den Tanzwettbewerben erheblich zu. Bis dahin wurden nur relativ wenige Steps verwendet, die meist auf einen bekannteren Tanzmeister zurückgeführt wurden oder einfach als traditionell galten. Diese Steps wurden mit größeren oder kleineren Variationen zwischen den Lehrern ausgetauscht und wurden auch in den höheren Leistungsklassen getanzt. Erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es mehr und mehr üblich, dass jeder Tanzlehrer für seine Schüler eigene Steps zusammenstellte, die in den höheren Leistungsklassen sogar individuell für die einzelnen Schüler gestaltet wurden.
Die der Diversifizierung der Tanzschritte entgegengesetzte Tendenz betraf die Stilistik, die sich infolge der Einwirkung von An Coimisiún nach 1950 schnell weltweit zu vereinheitlichen begann. Zwischen 1920 und 1940 breitete sich in Irland der Belfast-Stil aus und verdrängte schließlich die bisher vorherrschenden Munster-Stile in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts fast völlig. War dies zu Anfang noch ein mehr oder weniger natürlicher Entwicklungsprozess, setzten einzelne Lehrer, vor allem aber durch ihre Entscheidungen auf den Feiseanna die Adjudicators von An Coimisiún diese Umstellung später forciert durch, und zwar auch weltweit.
Der Belfast-Stil verwendete erheblich langsamere Musik und erlaubte damit komplexere Schritte. Die langsamere Musik erweckte den Anschein größerer Eleganz, verdeckte aber nur die im Gegensatz zur Musik erheblich höhere Tanzgeschwindigkeit. Der Effekt war aber nur temporär und partiell, denn auf der Jagd nach höherer Komplexität wurde die Musikgeschwindigkeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts vereinzeit bis auf die Hälfte herabgesetzt und die Tanzgeschwindigkeit verdoppelt, womit der Effekt schließlich nullifiziert wurde.
Ein anderes wesentliches Element des Belfast-Stil war die Aufgabe des ursprünglichen Prinzips des raumsparenden Tanzes am Platz, der durch einen mehr raumgreifenden Tanz ersetzt wurde und den immer größer werdenden zur Verfügung stehen Platz ausnutzte. Vor allem in ländlichen Gebieten wurden früher oft provisorische kleine Podeste und Lastwagen im Freien als Wettbewerbsbühnen genutzt - in Cork sogar bis Ender der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Mit der Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen wurden dann mehr und mehr kleine und größere Tanzbühnen in Innenräumen verwendet, so dass die für den Solotanz charakteristische Platzknappheit immer mehr überwunden wurde. Bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Beschränkung auf den Tanz am Platz völlig aufgegeben und abwechslungsreiche Lokomotionen waren neben der Fußarbeit zu einem unbedingten Erfordernis des Tanzes bei Wettbewerben geworden, ohne die keine gute Platzierung mehr möglich war.
Die Umstellung auf den Belfast-Stil betraf auch die Tanzhaltung. Die steife Tanzhaltung wurde obligatorisch, eingestützte Hände wurden bei Tänzern wie Tänzerinnen nicht mehr akzeptiert. Bis 1958 war es nur noch bei den Tänzerinnen aus Cork üblich, nach alter Tradition bei der Slip Jig eine Hand in die Hüfte zu stützen, als ein Adjudicator beim Feis Matthew es ihnen verbot. Sie fügten sich, womit diese Tradition endgültig verloren ging.
Im Bereich der Céilí Dances betraf die Einführung des Belfast-Stils vor allem die Tanzschritte. Hier löste der Promenade Step oder Belfast Hop den früher häufiger getanzten Jump Three ab und wurde schließlich als Standard von An Coimisiún propagiert. Dieser sollte in allen offiziellen Céilí Dances verwendet werden und wurde als traditionell dargestellt, obwohl er vor seiner Einführung durch die Tanzlehrer von An Conradh um 1900 praktisch nicht üblich war. Bis dahin noch außer diesen beiden Varianten vielfach übliche, tatsächlich traditionelle andere Travel Steps wurden auf Feiseanna nicht mehr akzeptiert. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts konnte der Promenade Step seine Vorherrschaft gegenüber dem Jump Three auf 96% ausbauen.
Amerika und Australien wurden in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts von der Umstellung auf den Belfast-Stil fast schockartig getroffen. Das lag vor allem an Tanzlehrern aus Irland, die einzig den neuen Stil propagierten und die sich, da sie direkt aus Irland kamen und bei An Coimisiún registriert waren, als Autorität gegenüber den irischen Gemeinschaften im Ausland darstellten.
In Australien war der Light Reel bis dahin völlig unbekannt und wurde erst, unabhängig voneinander, durch die Tanzlehrerinnen Geraldine O'Shea aus Melbourne und Erin O'Daly aus Sydney 1953 nach ihren Besuchen in Irland eingeführt.
In den USA war es Anna McCoy aus Belfast, die ab 1948 bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts mit ihren Tänzern durch das Land reiste und die Auffassungen von An Coimisiún auf der Bühne, in Workshops und auch durch Fernsehauftritte verbreitete. Die größte Bekanntheit erlangte dabei Brendan de Glin, der später eine eigene Gruppe aufbaute. Ebenfalls ab 1948 etablierten sich Peter und Cyril McNiff in New York, wo sich auch Kevin McKenna aus Belfast in den frühen 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ansiedelte. In Kanada propagierte Mae Butler aus Dublin ab 1953 den neuen Stil in Toronto. In den folgenden Jahren wanderten weitere Tänzer und Tanzlehrer aus Irland ein, viele ausgestattet mit der Authorität eines T.C.R.G. oder All-Ireland-Champion-Titels, so dass ihre Vorbildwirkung in ganz Nordamerika schnell dafür sorgte, dass bei Wettbewerben nur noch Tänzer im Belfast-Stil gewannen. Daher wechselten viele Tanzschüler die Schule, oder Tanzlehrer stellten sich auf den neuen Stil um, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dadurch wurden die alten Cork- und Kerry-Stile schließlich bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts verdrängt.
In den frühen 50er Jahren des 20. Jahrhunderts waren Amerika und Australien infolge der Einführung des Belfast-Stils auch mit dem Problem der Umstellung auf die inzwischen in Irland üblich gewordenen Tanzschuhe, speziell die neuen Light Shoes, konfrontiert. Das verursachte zuerst Probleme mit der Musik, die nun ebenfalls schneller gespielt werden musste. Um das richtige Tempo sicherzustellen und korrekt einzuhalten, wurde daher in diesen Gebieten auf das Metronom zurückgegriffen, wodurch die Tanzgeschwindigkeit exakt normiert werden konnte. Erst Jahre später wurde das Metronom auch in Irland akzeptiert und als allgemeiner Standard für Wettbewerbe eingeführt. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts führten die Tanzorganisationen schließlich exakte Normgeschwindigkeiten für die einzelnen Tänze ein.
Klasse von Sean-Nós-Tanzlehrer Dan Furey, Kilrush, Anfang 1960er
Klasse von Sean-Nós-Tanzlehrer Dan Furey, Kilrush, Anfang 1960er
Mit den elektronischen Medien wie Radio und Fernsehen erhielt das Irish Dancing eine neue Verbreitungsmöglichkeit. Radio Éireann brachte erstmalig einen Tanzkurz, geleitet von Din Joe, und Teilifís Éireann brachte Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts Sendungen wie Beirt Eile und den sehr erfolgreichen Club Céilí, der erst durch die Spaltung der irischen Tanzbewegung 1969 zu Fall gebracht wurde. Trotzdem begann das Céilí Dancing in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts und weiter in den 70ern und 80ern an Beliebtheit zu verlieren. Nach dem Fall des Ban, der "fremde" Tänze verbot, begann sich vor allem die Jugend für moderne Tänze zu Jazz und Beat, später dann zu Disco, Rock und Pop zu interessieren. Dieser Entwicklung, vor allem durch moderne Medien transportiert, konnte auch von der offiziellen irischen Tanzbewegung nicht wirksam entgegengewirkt werden, denn An Coimisiún hatte den irischen Tanz inzwischen zu einem formalen Sport gemacht, der trotz seiner weiten Verbreitung und Beliebtheit dem kulturellen Tanzbedürfnis der Jugend nicht gerecht werden konnte. So konnten auch die eiligst überall gegründeten Fíor Chéilí Clubs nicht verhindern, dass Céilí Dancing in Irland als Gesellschaftstanz zu dieser Zeit zu großen Teilen verschwand.
Nur im Norden Irlands, in der immer noch britischen Provinz Ulster, blieben die Céilí Dances lebendig, denn dort war der Tanz infolge des politisch-nationalen Konfliktes zwischen irischen Nationalisten und britischen Unionisten nach wie vor eine Frage des nationalen Selbstbewusstseins. Die irischen Nationalisten tanzten die Céilí Dances, während die Unionisten ihre Social Set Dances tanzten. Die Auswirkungen dieses politischen Konfliktes für das nordirische Volk waren sehr tragisch. Im Bereich des Tanzes führte er jedoch dazu, dass viele traditionelle Social Set Dances überlebten, weil sie aus politischen Gründen von den Unionisten getanzt und am Leben erhalten wurden. Auf der anderen Seite erhielten die irischen Nationalisten mit den Céilí Dances die alte Tradition der Country Dances am Leben. Dies machte es möglich, dass später in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts beide Traditionslinien wieder in einem Neuaufleben des irischen Gesellschaftstanzes im gesamten Irland zusammenfließen konnten. Der Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen und die faktische Gefangennahme der gesamten republikanisch-irischen Gesellschaft brachte jedoch die nordirisch-nationalistische Tanzbewegung faktisch zum Stillstand. Tanzunterricht und Tanzwettbewerbe wurden durch Ausnahmezustand und durch die Bedrohung durch unionistische Terroristen, Militär und Polizei fast unmöglich. Erst mit dem Beginn der Friedensverhandlungen Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts und besonders mit dem Good Friday Agreement, dem Karfreitagabkommen, von 1998 beruhigte sich die Lage soweit, dass auch die Tanzbewegung wieder aufleben und ihre Traditionen wieder aufnehmen konnte.

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Irish Dance, Irish Dancing, Irischer Tanz
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Letzte Änderung: 1. Januar 2007 - © Kunst des Denkens 2003-2007
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