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Geschichte

Entstanden ist das Irish Dancing in seiner heutigen Charakteristik eigentlich erst Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die charakteristische Tanzhaltung - aufrecht und nur die Beine bewegend - hatte sich da zwar schon herausgebildet, aber die heute bekannten Solo Dances mit ihren komplizierten und schnellen Schrittfolgen, die auch die Grundlage des heutigen irischen Showstepptanzes bilden, sowie die Group Dances in der heutigen technisch durchkonstruierten Form gab es vorher so noch nicht. Tanzen gehörte jedoch schon seit dem Beginn der Existenz des irischen Volkes zum irischen Lebensgefühl und zur alltäglichen irischen Kultur. Der irische Tanz hat sich als eine stilistische Einheit über vier Jahrtausende hinweg kontinuierlich entwickelt. Die Einflüsse in dieser gewaltigen Zeitspanne sind vielfältig, und die Veränderungen seit den Anfängen sind drastisch. Und dennoch lassen sich die Ursprünge des irischen Tanzes auch heute noch bis auf alte keltische Ritualtänze zurückverfolgen.

Tanz

Die irische Geschichte wurde, wie auch die irische Kulturtradition, viele Jahrhunderte und Jahrtausende lang nur mündlich weitergegeben. Daher existieren über die Anfänge des irischen Volkes nur wenige Aufzeichnungen, die von Informationen aus anderen Gebieten und archäologischen Forschungen ergänzen werden. Erst spät wurden die mündlichen Überlieferungen in Büchern wie "Leabhar Gabhála ['lawÉr ga'valÉ]", dem "Buch der Invasionen" aus dem 11. Jahrhundert und den "Annalen der Vier Meister" von 1632 aufgezeichnet. Diese historisch relativ jungen Quellen erwiesen sich jedoch bei Vergleichen mit astronomischen Rückrechnungen zumindest zeitlich als erstaunlich korrekt, weshalb auch den darin genannten historischen Fakten ein hoher Wahrheitsgehalt zuerkannt wird. Danach kamen im 18. oder 19. Jahrhundert v.u.Z. die Tuatha de Danann ['tuÉhÉ de 'danÉn] nach Irland. Archäologische und historische Nachforschungen legen nahe, dass dieses keltische Volk aus dem Gebiet um Elbe und Saale im heutigen Deutschland stammte, von wo aus es sich auf der Flucht vor den Germanen auf die Suche nach einer neuen Heimstatt machte, vorzugsweise einer Insel, die eine Gefährdung durch wandernde Volksstämme minimierte. Die Himmelscheibe von Nebra und ihre Beifunde aus der Region Merseburg, die aus dieser Zeitepoche stammen, weisen in Technologie und Darstellungen deutliche Übereinstimmungen mit den zu den Tuatha de Danann überlieferten Fakten auf. Auch die Darstellung des Bootes auf der großen Reise zwischen den Welten auf der Himmelsscheibe könnte ein Hinweis auf die Überfahrt nach Irland sein, was aber natürlich nur pure Spekulation ist - jedoch ist diese Interpretation so gut wie jede andere.
Himmelsscheibe von Nebra
Himmelsscheibe von Nebra

Die Übersetzung des Begriffes "Tuatha de Danann" ist durchaus problematisch, denn je nach Schreibweise und grammatischem Verständnis bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Die heute am weitesten verbreitete Variante ist "Volk der Göttin Danu" und orientiert sich an der altirischen Mythologie. Andere mögliche Varianten sind "Volk des kühnen Gottes" oder "Volk der geschickten Götter". Die wahrscheinlichste Übersetzung lautet jedoch einfach "Volk der Kunstfertigkeit" oder "Volk der Künste", worunter die schönen Künste ebenso zu verstehen waren wie das Handwerk und auch die Wissenschaft, die damals noch als Magie galt. Das ist umso wahrscheinlicher, weil die Tuatha de Danann den eroberten bisherigen Beherrschern Irlands, den ebenfalls keltischen Fir Bolg [fir 'bolÉg] oder Kesselbäuchen, wegen ihrer in jeder Beziehung überlegenen Kultur schon bald nicht nur als Meister der Künste galten, sondern von ihnen deshalb sogar als Götter verehrt wurden. Es war eine Königin der Tuatha de Danann, Erin oder Eriu, deren Name später zum Synonym für das Land werden sollte - Éire ['e:rÉ], englisch Ireland, deutsch Irland, das Land der Erin. Im Gegensatz zu den eher spätsteinzeitlichen Fir Bolg, die keine musikalische Tradition kannten, verfügten die hell- oder rothaarigen, hellhäutigen und relativ hochgewachsenen Tuatha de Danann über eine reichhaltige Musikkultur, in der Harfe und Flöte die Hauptrolle spielten. Ihre Kultur galt als so stark, dass selbst die ihnen folgenden ebenfalls keltischen Eroberer vom gallischen Festland, die Geil [ge:ìl] (Singular: Gael [ge:l]) oder Gälen, sie anerkannten und bewundernd übernahmen, womit schließlich durch Verschmelzung der Fir Bolg, der Tuatha de Danann und der Geil das Kulturvolk der Iren entstand. Zwar gibt es in historischen Quellen keine Erwähnung des Tanzes, jedoch liegt die Annahme nahe, dass die Tuatha de Danann ebenso wie ihre keltischen Nachbarn in Britannien und auf dem europäischen Festland eine dem Entwicklungsstand ihrer Musik entsprechende Tanzkultur hatten. Da, wie die irischen Legenden zeigen, die irische Kultur seit den Tuatha de Danann eine, wenn auch vielfach gewundene und anderweitig beeinflusste, aber ungebrochene Linie bildet, dürfte dies der historische Ursprung des Irish Dancing sein, auch wenn der Weg bis zu den heutigen Formen noch sehr, sehr weit war.
Die alten Kelten verehrten die Sonne als Quelle des Lichtes und des Lebens, und ebenso den Baum, speziell die Eiche, die als universelles Lebenssymbol galt. Auch eine Vielzahl von Tieren, die meist als Aspekte von Göttern galten, wurde verehrt. Die keltische Religion war eine sehr bunte und reichhaltige Naturreligion, die von Druiden gepflegt wurde. Im 1. Jahrhundert v.u.Z. beschrieb der Römer Tacitus ein druidisches Ritual, welches von britannischen Kelten in Stonehenge durchgeführt wurde. Dabei erwähnt er auch liturgische Tänze, die als Rundtanz um das Zentrum der Ritualstätte ausgeführt wurden. Dies stimmt überein mit anderen Beschreibungen keltisch-druidischer Tänze aus dieser Zeit. Zwar datieren diese Beschreibungen fast 2000 Jahre nach der Ankunft der Tuatha de Danann in Irland, aber die Druiden besaßen eine jahrtausendelange Tradition, in der sie ihre Rituale weitergaben. Daher kann angenommen werden, dass auch die Tuatha de Danann, die ja als Urbild der keltisch-irischen Religion gelten, bereits solche Tänze kannten. Eine Besonderheit der keltisch-druidischen Tänze bestand darin, mit den Füßen zu stampfen und damit rhythmische Geräusche zu erzeugen, die Urform des Irish Step Dancing. Dies allein ist noch nicht verwunderlich, denn auch andere Frühkulturen, allen voran die noch heute bestehenden afrikanischen und ozeanischen, verwandten rituelle Stepptänze. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich der keltische Stepptanz in Irland über einen Zeitraum von 4000 Jahren nicht nur erhalten, sondern zu einer technisch hochentwickelten Kunstform entwickelt hat.
Bei den Ritualtänzen, die meist als Rundtänze ausgeführt wurden, hatte die Tanzrichtung eine entscheidende Bedeutung. Zum Ausdruck von Glück und anderen positiven Gefühlen wurde im Uhrzeigersinn entsprechend des Laufes der Sonne getanzt, bei Trauer und anderen negativen Gegebenheiten umgekehrt. Die Tanzrichtung heutiger Rundtänze, seien es Solo- oder Gruppentänze, lässt sich aber nicht auf diese alte Tradition zurück führen, sondern entstammt erst tausende Jahre jüngeren, eher zufälligen Einflüssen. Die Ritualtänze enthielten auch Kettenelemente, wobei sich eine Kette von Tänzern seitwärts bewegte, zuerst nach links, dann nach rechts. Es gibt die begründete Vermutung, dass dabei Figuren getanzt wurden, die einfachen keltischen Knotenmustern entsprachen. Ob die frühen Knotenmuster jedoch ursprünglich eigentlich Beschreibungen von Tänzen darstellten, oder umgekehrt diese Muster in Tänzen nachvollzogen wurden, bleibt unbekannt. Wahrscheinlich ist, dass sich beide Kunstformen simultan entwickelten.
Im 8. Jahrhundert v.u.Z. herrschte Ollam Fodla, der Meister der Weisheit, als Hochkönig über Irland. Er knüpfte an die alte Tradition des Aonach ['i:nÉx] an, einer Versammlung des Volkes, um über die aktuellen Angelegenheiten zu diskutieren, und berief eine große Volksversammlung nach Tara, dem traditionellen Sitz der irischen Hochkönige, ein - das Feis Teamhair [feí 'tawÉr] oder Haus von Tara. Das Feis Teamhair war ebenso politisches, religiöses und wissenschaftliches wie kulturelles Treffen. Einmal alle drei Jahre, von drei Tagen vor bis drei Tage nach Samhain ['sawÉn] oder Halloween trafen sich die Chiefs, die Edlen, die Gelehrten und die Künstler des ganzen Landes, um die Angelegenheiten der Nation zu regeln. Dort wurden alte Gesetzestexte und wichtige überlieferte Geschichten rezitiert und traditionelle Musik, Poesie und Tanz aufgeführt, wodurch die alten Traditionen am Leben erhalten und weitergegeben wurden. Von dieser hochkulturellen Urform des Feis ist heute nur noch ein simpler Sportwettbewerb übriggeblieben, der damit kaum mehr als den Namen gemein hat.
Obwohl die Tradition der großen Feiseanna ['feíÉn:É] (Plural von Feis) von Tara schon bald nach Ollam Fodla aufgegeben wurde, setzte sich die irische Kultur und damit auch die Tanztradition ungehindert bis ins 5. Jahrhundert fort. Dann, etwa um 431, erschien Patrick auf der geschichtlichen Bühne Irlands. Patrick, der heute als Nationalheiliger Irlands verehrt wird, und dessen Tag, der St. Patrick's Day, der irische Feiertag schlechthin ist, leitete die Christianisierung Irlands ein. Kulturell und speziell auch für den Tanz bedeutete dies für Irland zuerst eine wahre Katastrophe. Der Tanz, der direkt mit der alten druidischen Religion korrespondierte, galt plötzlich als heidnisch und verwerflich. Die Kirche führte daher einen regelrechten Feldzug gegen die alte Kultur. Obwohl sich das Christentum jedoch schnell ausbreitete und fest tiefe Wurzeln schlug, konnte es weder die alte Religion, noch die alte Kultur des irischen Volkes auslöschen. So kam es, dass der Volksglaube die bis dahin als Götter verehrten Tuatha de Danann nun, von der neuen christlichen Religion mehr oder weniger anerkannt, als Feenvolk adaptierte, während gleichzeitig die alten Tänze von ihrer druidischen Tradition gelöst als Volkstänze mit naturreligiösen Elementen weiterlebten und die christlichen Rituale zu besonderen Gelegenheiten wie Ernte, christlichen Festtagen, Geburt, Hochzeit und Tod weltlich begleiteten. In dessen Folge entwickelte sich die irische Kirche mehr und mehr zu einem Hort der irischen Musik- und Tanzkultur. Dies änderte sich erst mit der Zerschlagung der eigenständigen katholischen Kirche Irlands durch die römische Zentralkirche, die auf der Synode von Whitby 664 besiegelt wurde. Die römisch-katholische Kirche sah den Tanz prinzipiell als direkten Angriff auf die offizielle christliche Moral an, auch wenn sich die mittelalterlichen Kirchenfürsten selbst alles andere als moralisch verhielten. Trotzdem blieb die katholische Kirche Irlands noch etwa ein Jahrtausend lang dem Tanz gegenüber relativ tolerant.

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Irish Dance, Irish Dancing, Irischer Tanz
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Letzte Änderung: 1. Januar 2007 - © Kunst des Denkens 2003-2007
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