Zurück Seite 1 Seite 2 Seite 3 Seite 4 Seite 5 Seite 6 Seite 7 Seite 8 Seite 9 Weiter

1929 schuf An Conradh die Irische Tanzkommission, englisch Irish Dancing Commission, irisch An Coimisiún le Rincí Gaelacha [Én ‰komi'íu:n lÉ 'riñkì 'ge:lÉxÉ] - C.L.R.G. -, zuerst als Untersuchungskommission, ab 1931 als ständige Einrichtung, um die Tanzbewegung noch besser steuern zu können. Das blieb natürlich auch auf den Stil des irischen Tanzes nicht ohne Auswirkungen. An Coimisún begann sehr schnell, den irischen Tanz noch weiter zu reglementieren und zu formalisieren und brachte die irische Tanzbewegung innerhalb weniger Jahre vollständig unter ihre Kontrolle. Auch die Solo Dances wurden auf den offiziellen Céilíthe nun in ein formalisiertes Muster gepresst, das nur teilweise der echten Tradition entsprang, und statt dessen vor allem den politischen Grund hatte, die Besonderheit und Exklusivität des irischen Tanzstils zu demonstrieren. Die Körperhaltung, die sich gegen Ende der britischen Besatzung wieder gelockert hatte, so dass auch Armbewegungen wieder üblich wurden, wurde wieder gestrafft. Die eigentlich traditionellen, regional verschiedenen Sean Nós Dances wurden ins Abseits gedrängt, so dass sie sich bis heute nur noch in kulturellen Nischen erhalten konnten, und durch eine modernisierte Tanzform auf der Basis des hauptsächlich aus der Provinz Munster stammenden Stils ersetzt, die kurzerhand zur traditionellen und gesamtirischen erklärt wurde. Statt Tanz als Ausdruck von Gefühlen zu benutzen, wie das im freien Sean Nós üblich war, wurde er nun, wie es die Tanzmeister schon begonnen hatten, auf formalisierte Bewegungstechnik reduziert. Auch wenn dadurch viel verloren ging, enstand dabei jedoch ein ganz besonderer, geradezu mathematischer Charm des irischen Solotanzes, der sich in neuerer Zeit mit dem überlebenden Ausdruckstanz des Sean Nós kombinierte und heute die besondere Faszination des Irish Step Dance ausmacht.
Brophy tanzt eine Irish Jig, Neuseeland, 25. März 1905
Brophy tanzt eine Irish Jig, Neuseeland, 25. März 1905
Mit der irischen Auswanderung verbreitete sich Irish Dancing gemeinsam mit irischer Musik und anderen irischen Traditionen über die ganze Welt. Der Tanz war für die Iren ein Mittel, um ihre nationale Identität auszudrücken und auch fernab der alten Heimat zu bewahren. Speziell in Großbritannien, den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine lebendige irische Tanzszene. Der irische Tanz beeinflusste andere Tanzstile, bewahrte dabei durch das starke Traditionsbewusstsein der Iren und nicht zuletzt auch durch den sich später weltweit ausbreitenden Einfluss von An Coimisiún seine Eigenart. Der American Tap Dance entstand im Wesentlichen aus afrikanischen Steppvarianten, wurde aber auch von den Heavy Dances des Irish Step Dance beeinflusst. Daran erinnern Kombinationen wie der Irish oder der Double Irish, die aus irischen Kombinationen durch Anpassung der Stilistik entstanden sind. Andere Stepptanzvarianten, wie Line Dance oder verschiedene Clogging-Varianten, entstanden in Kanada, den USA und Australien direkt aus den irischen Heavy Dances, indem die engdefinierte Stilistik der Körperhaltung und der Fußstellung erweitert und mit anderen Tanzstilen gemischt wurde. Daneben entwickelten sich auch die Gesellschaftstänze weiter, wobei sich speziell die Social Set Dances wieder mit einem ihrer Ursprünge, der Quadrille, zum Square Dance und ähnlichen Tänzen verbanden.
Innerhalb von An Coimisiún setzte sich bereits kurz nach Gründung die Überzeugung durch, dass die alten irischen Country Dances, die zum großen Teil ausgerottet worden waren, doch eine erhaltenswerte irische Tradition darstellten. So machten sich Tomás Ó Faircheallaigh, Kommissionsmitglied und All Ireland Champion von 1929, und später auch Nan Quinn, Tanzlehrerin in Bessbrook in Armagh, auf den Weg, die noch lebendigen Country Dances zu sammeln und aufzuzeichnen. Das erwies sich jedoch als unmöglich, denn der Ausrottungsfeldzug von An Conradh war zu erfolgreich gewesen. Es konnten nur noch einige wenige Erinnerungsfetzen bei älteren Leuten gesichert werden, die eine vollständige Rekonstruktion der alten Tänze nicht mehr gestatteten. So wurden kurzerhand neue Tänze auf der Basis dieser Rudimente und der leider teilweise recht unklaren Beschreibungen in verschiedenen Büchern geschaffen und als traditionell deklariert.
Einige dieser Tänze wurden aufgrund von Nachforschungen im Norden, speziell in South Armagh, geschaffen und spiegeln daher im Wesentlichen diesen Traditionszweig wieder. Es handelt sich dabei um "A Trip to the Cottage", "The Three Tunes" sowie "The Sweets of May". Nan Quinn schuf aus Elementen von alten Armagh Tänzen die Choreografien, während Tomás Ó Faircheallaigh die von einem alten Piper, Henry Savage aus Outlacken, gespielten Melodien in einer dazu passenden Form aufzeichnete. Diese drei Tänze weisen im Gegensatz zu den anderen offiziellen Céilí Dances einige Besonderheiten auf. Alle drei Tänze verlangen eine spezielle Musik, anstatt allgemein zu Tanzmusik eines Rhythmustyps getanzt zu werden, und zwei davon beinhalten spezielle Armbewegungen. Nan Quinn führte "A Trip to the Cottage" 1934, die anderen beiden Tänze 1936 das erste Mal öffentlich auf Feiseanna vor. Als diese Tänze später den Einheimischen in jener Gegend gezeigt wurden, wo sie Nan Quinn angeblich gelernt hatte, erkannten sie diese jedoch nicht wieder. Das lag neben den veränderten Figuren vor allem an den verwendeten Tanzschritten. Die originalen Shuffles und Stamps, wie sie auch in Social Set Dances verwendet wurden, waren von Tomás Ó Faircheallaigh durch die einzigen als wahrhaft irisch geltenden Threes und Sevens ersetzt worden, wie er selbst am Rande eines Workshops in Killarney zugab, obwohl An Coimisiún immer die Authentizität der Céilí Dances betont. Nachforschungen nach 1936 bei einem alten Einheimischen, James McParland in Annacloughmullion, der noch viele der alten Tänze kannte, zeigten aber, dass die in den drei offiziellen Armagh Céilí Dances verwendeten Figuren tatsächlich aus der Gegend stammten. Seine 22 Eight-Hand Dances, darunter "Garrowen", "The Frost Is All Over", "The King's Head", "Betty Black", "Paddy O'Carroll", "The Rakes of Clonmel", "The Connachtman's Rambles", "The Soldier's Joy" und "O'Connell's Trip to Parliament" wurden jeweils zur gleichnamigen Musik getanzt, wobei "Betty Black" eine sechsteilige Melodie aufwies. Die Figuren dieser Tänze waren sehr ähnlich den von Nan Quinn für ihre drei Tänze verwendeten. Besonders häufig waren "Ring", "Lead Around", "Thread the Needle", "Sea-Saw" und "Side under Arms" enthalten. Zwar ist keine konkrete Beschreibung dieser Tänze erhalten, aber es kann als gesichert gelten, dass die drei von Nan Quinn geschaffenen Tänze diese Traditionslinie mit Ausnahme der Tanzschritte gut wiederspiegeln.
Auch bei der offiziellen Aufzeichnung anderer Tänze wurden die Tanzschritte und auch die Figuren verändert, um sie gemäß den herrschenden Auffassungen zu standardisieren. So entstanden die offiziellen Céilí Dances, 30 Gesellschaftstänze, die heute von An Coimisiún als eine über mindestens hundert bis fünfhundert Jahre übertragene Überlieferung ausgegeben werden. Natürlich ist dies eine durchaus problematische Traditionsauffassung, jedoch sind die Céilí Dances keineswegs reine Erfindungen, sondern beruhen ja tatsächlich auf überlieferten Tanzelementen. Sie stellen daher durchaus die Fortsetzung der Traditionslinie der irischen Country Dances dar - man darf nur nicht vergessen, dass sie nicht identisch mit den alten Country Dances sind, sondern moderne Standardtänze auf Basis der Tradition darstellen. Leider kommt es genau um diese Frage der Herkunft der Céilí Dances bis heute immer wieder zu heftigen Zerwürfnissen innerhalb der irischen Tanzwelt. Eingeschworene Gegner von An Coimisiún lehnen sie als künstliche Fälschungen ab, während Fanatiker der Tanz- und Geschichtsauffassung von An Coimisiún auf ihre absolute Authentizität schwören.
Tomás Ó Faircheallaigh tanzt in der Major Bowe Radio Show in New York, 1939
Tomás Ó Faircheallaigh tanzt in der Major Bowe Radio Show in New York, 1939
1939 erschien bei An Coimisiún ein erster von Tomás Ó Faircheallaigh zusammengestellter Band von Céilí Dances unter dem Titel "Ár Rincí Fóirne" [à: 'riñkì 'fó:nÉ] - "Unsere Volkstänze". Bereits 1943 erschein ein zweiter Band, diesmal unter Mitarbeit von Nan Quinn. Erst nach 1960 erschien der dritte Band, weil sich die Tanzlehrer nicht auf eine Version des "Fairy Reel" einigen konnten. Die schließlich gewählte Version sollte möglichst viele der zahlreichen regionalen Tänze dieses Namens repräsentieren und stellt insofern also ebenfalls ein choreografisches Kunstprodukt dar, auch wenn sie auf traditionellen Elementen beruht. Der offizielle "Fairy Reel" verdrängte später als Pflichttanz die bis dahin bekannten lokalen Tänze dieses Namens, wodurch die nicht in die offizielle Version übernommenen Figuren verloren gingen.
Die später in einem Band zusammengefassten, aber immer noch Book 1, 2 and 3 genannten Bücher sind seit ihrem Erscheinen das Standardwerk von An Coimisiún in Sachen Gesellschaftstanz. So rigoros, wie An Conradh zuerst die meisten Country Dances bekämpfte, machte An Coimisiún von nun ab die Céilí Dances zur nationalen Pflicht und tat alles, um aus einer schriftlichen Regel eine lebendige Kultur zu machen. Dies erwies sich jedoch als schwierig, denn die Céilí Dances wurden als steif empfunden, und die getanzten Figuren waren, im Gegensatz zu den enthaltenen Schritten, relativ komplex. Daher gelangten nur die einfachsten der 30 Tänze zu größerer Bekanntheit und Beliebtheit, während die meisten zu reinen Wettkampftänzen auf den Wettbewerben von An Coimisiún wurden.
An Coimisiún versuchte in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts mit aller Macht, ihre Vorstellungen von irischer Tanztradition durchzusetzen, unterstützt von der konservativen irischen katholischen Kirche. Schon 1923 meinte der Erzbischof von Dublin, dass der Tanz zu einer ernsthaften Gefahr für die Moral der jungen Menschen geworden sei. Der Bischof von Galway war der Auffassung, dass die von der Jugend getanzten Tänze keine "sauberen, gesunden irischen Tänze" seien und riet den Eltern, ihre Kinder notfalls mit Prügeln vom Tanzen abzuhalten. Dass sich gerade die katholische Kirche in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts im Namen der Moral zum Bewahrer des "reinen" irischen Tanzes machte, ist jedoch um so lächerlicher, als dass die Kirche in den vier Jahrzehnten vorher im Namen der gleichen Moral gerade dafür gesorgt hatte, dass diese irischen Tänze fast ausgelöscht wurden.
Über diese Zeit existiert eine Vielzahl verschiedener Geschichten, die eher an das Mittelalter als an moderne, aufgeklärte Zeiten erinnern. Priester versteckten sich im Gebüsch und lauerten jungen Paaren auf, um sie mit dem Stock zu schlagen und zu trennen. Andere "mutige Kämper gegen die Sünde" durchstreiften des Nachts die Straßen, um Musik und Tanz aufzuspüren und jede gesellige Zusammenkunft zu beenden. Sie stürmten die betreffenden Häuser, schlugen die Musiker und Tänzer oder verlangten von deren Eltern, dies zu tun, verbrannten Musikinstrumente und prophezeiten Höllenfeuer und Verdammnis. Die schlimmste Erniedrigung war es, wenn die Betreffenden bei der Sonntagsmese vor der gesamten Gemeinde bloßgestellt wurden. An die Grundlage des Lebens ging es jedoch, wenn den solcherart Gebranntmakten vom Pfarrer das Empfehlungsschreiben verwehrt wurde, wenn es für sie an der Zeit war, das Dorf zu verlassen und auf Arbeitssuche zu gehen. Unter diesem bis in die Wohnhäuser getragenen individuellen Kulturterror verschwanden bis Mitte der 30er Jahre sowohl die House Dances, als auch die Crossroad Céilíthe fast völlig. Viele Musiker verloren auf diese Weise ihre Einkommensquelle und wurden zur Auswanderung nach England oder Amerika gezwungen.

Zurück Seite 1 Seite 2 Seite 3 Seite 4 Seite 5 Seite 6 Seite 7 Seite 8 Seite 9 Weiter

Irish Dance, Irish Dancing, Irischer Tanz
Hauptseite

[Akilet] [Aksios] [Ilaros] [Etymos] [Kontakt] [Forum] [Neues]
Telfon, Internet und eigene Homepage elektronische Wörterbücher
XHTML 1.0 Transitional, optimiert für MS IE 7.0 bei 1024*768 und mittlerem Schriftgrad.
Letzte Änderung: 1. Januar 2007 - © Kunst des Denkens 2003-2007
Irish Dancing Irish Dance Irischer Tanz Irish Stepdancing Irish Stepdance Irischer Stepptanz Irischer Steptanz Step Dancing Step Dance Céilí Dancing Céilí Dance Ceili Dancing Ceili Dance Figure Dancing Figure Dancing Set Dancing Set Dance