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The Dancing Master (Hemick)
The Dancing Master (Hemick)
In der dunklen Zeit nach der Invasion Irlands durch Cromwell und der nachfolgenden Knebelung der irischen Kultur war es der französische Tanz, der zu Hilfe kam und so zu einem wichtigen Einflussfaktor wurde. Als die Unterdrückung im 18. Jahrhundert etwas nachließ, begannen, ausgehend von französischem Vorbild, etwa ab 1750 die Dance Master oder Tanzmeister das Land zu bereisen. Die etwas schrullig wirkenden Tanzmeister orientierten sich am feinen Benehmen der gehobenen französischen Gesellschaft und demonstrierten eine ihrer Lebensweise eigentlich nicht entsprechende Vornehmheit, um bei der Landbevölkerung Eindruck zu machen. Sie waren meist Junggesellen ohne festen Wohnsitz. Wie Arthur Young nach seiner Reise durch Irland 1776 bis 1779 schrieb, bereisten sie, immer in Begleitung eines Dudelsackspielers oder Geigers, meist eine bestimmte abgegrenzte geografische Region mit einem Radius von etwa 30 Kilometern. Sie blieben jeweils neun Tage bis zu sechs Wochen in einem Dorf. Dort mieteten sie bei einem Bauern einen Platz, meist die Küche oder eine Scheune, um dort den Dorfbewohnern, vorwiegend den Kindern und Jugendlichen, Tanzunterricht und gelegentlich auch Fechtunterricht zu erteilen, sowie Haltung und gutes Benehmen zu lehren. Hatte der Bauer genug Platz im Haus, nahm der Tanzmeister dort Quartier und erteilte dafür dessen Kindern kostenlosen Unterricht. Ansonsten war es an den Schülern, ihm reihum Nachtquartier zu bieten. Als Bezahlung für seinen Unterricht erhielt er von jedem Schüler sechs Penny für einen vollen Tanzkurs, der ihn begleitende Musiker die Hälfte. Schon wenige Jahre später, wie von 1816 aus Wexford berichtet, war der Preis auf einen Shilling (13 Penny) für den Tanzmeister und einen Tester (6½ Penny) für den Musiker, jeweils für neun Nächte, gestiegen. Meist dauerten die Kurse aber eher sechs Wochen, wofür die Preise Mitte des 19. Jahrhunderts dann auch schon zehn Shilling für den Tanzmeister und fünf Shilling für den Musiker betrugen. Außerdem richtete der Tanzmeister während seines Aufenthaltes ein oder zwei Tanzabende aus, zu denen jeder kommen konnte. Diese waren für die Schüler kostenlos, während unter den anderen Gästen dann eine Sammlung für den Tanzmeister und den Musiker veranstaltet wurde.
Auch wenn das Einkommen eines Tanzmeisters eher bescheiden blieb, war der finanzielle Aufwand für die Bauern doch spürbar. Bedenkt man die Armut der Masse der irischen Bevölkerung, die auch in den folgenden Jahrzehnten bestehen blieb, so zeigt die Tatsache, zu welchen finanziellen Opfern die Iren für den Tanz bereit waren, wie tief verwurzelt die Tanzkultur im irischen Volk war - und noch heute ist. Dem stellte sich die katholische Kirche mit aller Macht entgegen und versuchte in dieser Zeit, den Tanz soweit nur irgend möglich zu unterbinden. Verschiedene Bischöfe verboten Tanzveranstaltungen in ihren Diözesen unter Androhung von Strafen bis zur Exkommunikation sogar völlig, so die Bischöfe Bray (1746) in Cashel und Emly, Moylan (1785) in Kerry und Plunkett (1790-1819) in Meath. Der Beliebtheit der Tanzmeister tat das aber keinen Abbruch.
Die Tanzmeister orientierten sich zwar am Stil des Tanzes der feinen französischen Gesellschaft, jedoch übernahmen sie die französischen Tänze und Schritte nicht, sondern versuchten nach dem Vorbild des französischen Balletts und Gesellschaftstanzes den wilden, intuitiven einheimisch irischen Tanz auf eine professionelle Basis zu stellen. Sie brachten Disziplin und Kunstfertigkeit in den irischen Tanz. Was bisher mehr aus dem Gefühl heraus getanzt wurde, wurde nun in feste Schrittfolgen, Tanzfiguren und Choreografien gebracht. Die Tanzmeister lehrten sowohl Gruppen- als auch Solotänze, die sie basierend auf lokalen Traditionen selbst choreografierten.
Bei den Iren am höchsten geachtet war die Kunst des Solotanzes, bei dem es vor allem auf die Fußarbeit ankam, und der sich unter den Tanzmeistern schnell zu einer komplexen Kunstform entwickelte. Aus dieser Zeit stammt der Begriff "Cover the Buckle", wie von Shelton MacKenzie in "Bits of Blarney" zu erfahren ist. Demnach tanzten die Tanzmeister mit so vielen Sprüngen und schnellen Wechseln der Füße, dass die großen Schnallen an ihren Schuhen kaum noch zu sehen waren. Die Tanzmeister übernahmen die Grundelemente der ohne feste Choreografie getanzten irischen Solotänze der Zeit und begannen, daraus standardisierte Schrittfolgen zu machen und eigene Schrittfolgen zu entwickeln. Diese brachten sie den irischen Jungen und jungen Männern bei, denen die Kreis- und Gassentänze der Country Dances nicht genug waren. Vor allem Jugendliche begannen darum zu wetteifern, immer schwierigere und schnellere Schritte zu tanzen, und das Ansehen eines Tanzmeisters richtete sich schon bald nach seiner Fähigkeit, neue und kompliziertere Schrittfolgen schaffen zu können. Oft wurden diese Schrittfolgen nach ihrem Schöpfer oder nach einer Charakteristik benannt. So sprach man von "Murray's Number Two", "Easy Murray's", "Curtin's Pick", "Murphy's Jig", "The Drunken Man" oder "Back to Back". Solche Steps wurden von den Tanzmeistern zum persönlichen Gebrauch auch aufgeschrieben, aber nicht gesammelt und veröffentlicht und auch sonst als großes Geheimnis der Schule eines Tanzmeisters behandelt, damit sie niemand kopieren und seinerseits lehren konnte. Auch das war mit ein Grund dafür, eine hohe Tanzgeschwindigkeit anzustreben - die Kunstfertigkeit sollte sichtbar, die Steps sollten aber für die Zuschauer nicht nachvollziehbar sein. Diese Geheimniskrämerei der Tanzlehrer, die schlicht dazu diente, sich unentbehrlich zu machen, hat sich bis heute im irischen Wettkampftanz erhalten, wo die Tanzlehrer immer noch eifersüchtig darüber wachen, dass "ihre" Steps nicht "gestohlen" werden.
Am Anfang des Tanzunterrichts standen meist Rise & Grind und Sink & Grind aus der irischen Jig, deren Namen auf die spezielle Art zurückzuführen sind, mit der die Tanzmeister ihren meist wenig gebildeten Schülern ermöglichten, rechtes und linkes Bein voneinander zu unterscheiden. Dazu wurde an einem Bein ein Büschel Stroh angebunden, am anderen ein Büschel Heu. Die Anweisung zum Heben eines Beines war dann etwa "Rise the Hey", zum Senken des anderen "Sink the Straw". Waren die Grundschritte bekannt, konnte zu schwierigeren Aufgaben übergegangen werden, wobei die Tanzmeister ihre Schritte auch oft den Fähigkeiten ihrer Schüler anpassten, sowohl nach oben, als auch nach unten, was erheblich zur Diversifizierung der irischen Tanzschritte beitrug. Das Training einzelner Schrittfolgen ging dann schrittweise in daraus zusammengesetzte ganze Tänze über.
"Ould Irish Jig", Postkarte von 1905
"Ould Irish Jig", Postkarte von 1905

Viele Tanzmeister veränderten auch den Stil der irischen Solotänze. Dabei verstärkten sie das schon bestehende typisch irische Stilelement der steifen Körperhaltung weiter, um den Tanz dem gehobenen Benehmen angemessener zu machen. Weiterhin wurden selbst die letzten Reste von Armbewegungen aus dem Solotanz verdrängt, da sie als unkontrollierte Gefühlsäußerungen und damit als für das feine Benehmen unpassend angesehen wurden. Dazu gaben sie den Schülern Steine in die Hände, um die Arme am Körper und die Hände zu Fäusten geballt zu fixieren. Es war auch üblich, die Arme in die Hüften zu stützen, und Mädchen tanzten ihre Slip Jigs mit einer Hand an der Hüfte und einem Arm gerade, während sie exakt die genau vorgeschriebenen Schrittfolgen ausführten. Damit trennte sich der kontrollierte und formalisierte Stil dieser an den gehobenen Klassen orientierten Tanzmeister vom auch weiterhin im Volk gepflegten und von einigen volksnahen Tanzmeistern fortgeführten, relativ wilden und spontanen Alten Stil oder Sean Nós [íó:n no:s], der sich bis heute in einigen kulturellen Nischen der irischen Gesellschaft erhalten hat.
Die Gruppentänze galten den Tanzmeistern vor allem als eine Möglichkeit, auch weniger talentierten Schülern die Freude am Tanz zu vermitteln. Gruppentänze machen allgemein sehr viel Spaß und enthalten weniger komplizierte Schritte, die fast jeder nachvollziehen kann. Daher hing es auch von der Fähigkeit eines Tanzmeisters ab, solche Gruppentänze lehren zu können, wie gut besucht sein Unterricht und wie hoch sein Einkommen war. Als Grundlage verwendeten die Tanzmeister die alten irischen Country Dances, im 18. Jahrhundert auch die französische Cotillion, die sich aus den englischen Country Dances entwickelt hatte, und später im 19. Jahrhundert die wiederum daraus entstandene französische Quadrille. Bei den in der Form reichhaltigeren, in den Figuren jedoch beschränkteren irischen Country Dances, die ursprünglich unter starker Beeinflussung durch die englischen Carols aus den altirischen Tänzen hervorgegangen waren, wurden die darin enthaltenen Figuren formalisiert und ebenfalls Schrittfolgen aus den Solotänzen eingeführt. Die so aus den alten Country Dances entstandenen Rund- und Figurentänze bildeten die Basis für die später so genannten Céilí Dances oder Rincí Céilí ['riñki 'keili:] (Singular: Rince Céilí ['riñkÉ 'keili:]).
Die Cotillion, ein Tanz von vier Paaren in Quadratformation oder von zwei Paaren, war bereits in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts nach Irland gekommen und wurde von den Tanzmeistern als Vorbild für die Anordnung von Tänzern und die Abfolge von Figuren genommen. Darauf geht die Formation der Full Sets - vier Paare - und der Half Sets - zwei Paare - bei den sich in der Folge entwickelnden Social Set Dances und einigen Céilí Dances zurück. Die aus der Cotillion abgeleitete französische Quadrille kam nach dem Sieg Englands über das napoleonische Frankreich als Modetanz der gehobenen Gesellschaft und des Militärs etwa 1816 nach Irland. Sie wurde wegen ihres Abwechslungsreichtums schnell beliebt und löste die Cotillion bald ab. Die Tanzmeister machten sich diese Tanzform innerhalb weniger Jahre zu eigen, übernahmen aber nur die äußere Struktur vom Original, während der Rhythmus, die Musik, das relativ hohe Tempo und auch die Schrittfolgen aus der irischen Tanztradition übernommen und weiterentwickelt wurden. Die so entstandenen Social Set Dances bestehen im Prinzip aus einer Abfolge von Tänzen, die mit festgelegten Schrittfolgen und Figuren immer wieder zur Grundkonfiguration zurückführen und zu einer Zusammenstellung dazu passender Musikstücke getanzt werden. Dazu verwendeten die Tanzmeister einfachere Schrittfolgen aus ihren Solotänzen, während die ballettartigen Schrittfolgen der französischen Tänze vollständig verworfen wurden. Mit diesen irischen Schritten wurden dann geometrische Figuren getanzt, die teilweise aus der alten Cotillion, teilweise aus der Quadrille und teilweise aus der irischen Tanztradition übernommen und darauf aufbauend neu kreiert wurden. Darauf ist es auch zurückzuführen, dass heute so viele verschiedene Social Set Dances existieren, die zwar ursprünglich auf der Form von Cotillion und Quadrille basieren, aber individuell von jedem Tanzmeister im irischen Stil neu kreiert wurden. Viele Regionen entwickelten auf diese Art "ihre" Sets, wobei der wohl eleganteste und am besten abgestimmte Stil im County Clare entstand.
Bei den originalen französischen Quadrilles mit relativ freier Abfolge der Figuren war es noch üblich, dass die Tanzfiguren von einem Ausrufer, dem Dance Caller, den Tänzern zugerufen wurden. Dazu hatten die Tänzer und Tänzerinnen der feinen Gesellschaft kleine, fein ornamentierte Tanzbücher, die pro Seite eine Figur enthielten. Der Caller rief nach einer Figur jeweils die Seitennummer der nächsten Figur, die dann schnell nachgeschlagen wurde. Das war die ursprüngliche Funktion der Pausen zwischen den einzelnen Figuren der Social Set Dances. Jedoch erübrigte sich dies für die fest zusammengestellten irischen Social Set Dances eigentlich, ebenso wie für die modernen irischen Country oder Céilí Dances. Trotzdem wurde das Calling von einigen Tanzveranstaltern als Gedächtnisstütze fortgeführt, was zwischen Befürwortern und Gegnern bis in die jüngste Gegenwart hinein immer wieder zu ernsthaften Kontroversen im Streit um die irische Originalität der Tänze führt. Einige sehen das Calling als französische Unsitte an, die für die fest choreografierten irischen Céilí Dances unnötig sei, andererseits aber angeblich den ausländischen Ursprung der Social Set Dances beweist. Andere wieder meinen, dass selbst noch so "rein irische" Tänze wie die Céilí Dances nur dann wirkliche Volkskultur sein können, wenn auch tatsächlich das ganze Volk teilnehmen kann, ohne vorher jahrelang die Tanzschule besucht haben zu müssen - wobei das Calling sicher hilfreich ist. Und so verläuft die Kampflinie zwischen Befürwortern und Gegnern des Calling nicht nur zwischen den Set Dancers und den reinen Céilí Dancers, sondern zieht sich auch quer durch die Céilí-Dance-Traditionalisten.
Die Gründung der Society of United Irishmen 1791 zeigte ein deutlich gewachsenes nationales Selbstbewusstsein der Iren, an dem auch die neue irische Tanztradition unter den Tanzmeistern einen Anteil hatte. Dem musste auch die englische Besatzungsmacht Rechnung tragen und hob 1793, nach fast hundert Jahren, die diskriminierenden Later Penal Laws zumindest teilweise auf. Jedoch konnte dieser Versuch, die Iren mit einigen formaljuristischen Freiheitsgeschenken zu beruhigen, nicht verhindern, dass es 1798 zu einem Aufstand in Irland kam, dem United Irishmen Rising. Der Aufstand scheiterte zwar, und die Engländer schlugen gegen den Unabhängigkeitswillen der Iren mit dem Act of Union zurück, in dem das britannische mit dem formal noch bestehenden irischen Königreich vereinigt wurde. Aber sie sahen sich auch gezwungen, den Iren weitere kulturelle und rechtliche Freiheiten einzuräumen, mit dem Ziel, zukünftigen Aufständen die soziale Basis zu entziehen. Aber erst 1829 wurden die Later Penal Laws im Catholic Emancipation Act, dem Katholischen Gleichstellungsgesetz, ganz aufgehoben. Diese politische Strategie der Besatzer zur Ruhigstellung der Iren scheiterte zwar letztlich, verschaffte der irischen Kultur und dem irischen Tanz aber neue Entwicklungsmöglichkeiten.
Unter diesen Bedingungen einer sich immer weiter vergrößernden kulturellen Freiheit gründeten viele der wandernden Tanzmeister, die schnell sehr beliebte Leute geworden waren, schon bald eigene fest ansässige Tanzschulen, in denen sie ihre ganz speziellen, und nur dort zu erlernenden, Tänze lehrten. Besonders in der Provinz Munster, und hier speziell in den Countys Kerry, Limerick, Cork und Tipperary entstanden zu ihrer Zeit relativ berühmte Tanzschulen. Unter den Tanzmeistern entwickelte sich eine Konkurrenz um den besten Tanzschüler, wobei es nicht auf die beste Technik oder Ausdruckskraft, sondern auf die größte Schrittvielfalt und Geschwindigkeit ankam. Da es dabei hauptsächlich um die Schritte ging, verwendete man gelegentlich Schuhe mit Holzunterlagen unter der Spitze, Tip, und unter der Ferse, Heel. Vielfach wurden sogenannte Boot Protectors, Schuhschützer aus Metall, verwendet, die eigentlich das teure Schuhwerk an Spitze und Ferse vor Beschädigung schützen sollten, nun aber sehr willkommen waren, um damit Tanzklänge zu erzeugen. Damit konnte man die Schritte nun auch hören - die Hard Shoe oder Heavy Dances waren entstanden. Damit war die Grundlage für die Entstehung der Solo Set Dances gelegt, Solotänze, die nichts mit den Social Set Dances zu tun haben. Die Solo Set Dances zeichneten sich dadurch aus, dass sie genau passend zu einem bestimmten Musikstück choreografiert wurden, im Gegensatz zu den Step Dances, bei denen es nur um die Schrittfolgen geht. Diese Set Dances, von denen einige wenige Elemente in den heute so genannten Traditional Set Dances bis heute als lebendige Tradition fast
Irish Step Dance auf dem Tisch, 1901
Irish Step Dance auf dem Tisch, 1901
unverändert übermittelt wurden, verwendeten bereits wesentliche Elemente heutiger Heavy Dances wie Rocking, Trebles und Heel Steps.
Bei der Herausbildung der Heavy Dances stellte sich nun plötzlich mehr als bei den bis dahin üblichen Tänzen das Problem der fehlenden Tanzfläche für die notwendigen Übungen. Wiesen und Wege, die für die leichten Solotänze und für die Gruppentänze gut waren, waren dazu nicht zu gebrauchen. Andererseits lebten irische Familien auf dem Land meist unter sehr beengten Raumverhältnissen, und ihre Fußböden bestanden in den Räumen meist nur aus festgestampftem Lehm. Daher wurde oftmals auf ausgehängte Türen, die typisch irischen Halfdoors, und Tische, in Pubs auch auf Fassdeckel zurückgegriffen, um darauf die Kinder tanzen zu lassen. In West Limerick wurden die Set Dances deshalb Table Dances genannt, da es üblich war, sie auf dem Küchentisch zu tanzen. Der Besuch im Pub diente vielfach nicht nur dem Alkoholgenuss, sondern man kam speziell zum Tanzen. Dazu wurde der hinter der Bar befindliche Tap Room genutzt, in dem die Fässer gelagert und auch angestochen wurden - englisch tapped, also mit Hahn versehen. Eventuell stammt daher auch ursprünglich die Bezeichnung Tap Dance für das Heavy Dancing und später auch für jede Art von Stepptanz. Tisch oder Fassdeckel wurden häufig mit Seife eingeschmiert, um die Oberfläche weniger haftend und so für Trebles geeigneter zu machen. Dadurch konnte man schneller tanzen, jedoch wurde es damit auch wesentlich schwieriger, die Balance zu halten. Allgemein galt es als um so kunstvoller, je weniger Fläche ein Tänzer benötigte. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts trugen auch viele Tänzer ein kleines Brett mit sich, wenn sie zum Tanzen gingen. Wettbewerbe wurden oft auf der Ladefläche kleiner Wagen abgehalten. Diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Raum wurde dadurch zu einem weiteren wesentlichen Charakteristikum des Irish Step Dance, der in seiner damaligen Form eine sehr enge Beinstellung, speziell in den Knien, benötigte und ausholende Bewegungen, hohe Sprünge, Bewegungen im Raum und sogar Drehungen kaum kannte. Während die Traditional Set Dances heute oft ebenso wie die modernen mit Raumbewegungen getanzt werden, waren solche Lokomotionen zur Zeit ihrer Entstehung völlig abwesend.
Aus einem Artikel von Maurice Lenihan, veröffentlicht 1867, ist bekannt, dass es in Irland durchaus sehr verschiedene Tanzlehrer gab. Wie auch in anderen Ländern wurden die Kinder der Oberklasse von Tanzmeistern unterrichtet, die Wert auf ihren gehobenen Stand legten, sich französische Namen gaben und behaupteten, eine Ausbildung in Frankreich genossen zu haben. Ihre Tätigkeit spiegelte meist nicht die irische Tanzkultur wider, blieb aber auch weitgehend ohne Einfluss auf den Tanz des irischen Volkes. Auf der anderen Seite standen "Dorfhüpfhändler", die einige wenige einfache Schritte lehrten, wie sie für ein einfaches Tanzvergnügen notwendig waren. Die wirklichen Tanzmeister jedoch waren diejenigen, die ihre eigene Kunstfertigkeit mit dem Wissen um die alte irische Tanztradition und um die moderne französische Tanzkultur verbinden konnten und dafür von Landbevölkerung und höheren Klassen gleichermaßen geschätzt wurden. Sie waren es, die durch Traditionsbewusstsein gepaart mit Weltoffenheit den irischen Tanz zu einer Hochkultur machten. Dazu trug sicher auch die sich immer mehr herausbildende Gepflogenheit bei, das Können der Tanzmeister bei Wettbewerben zu erproben. Die Tanzmeister forderten sich auf Jahrmärkten zu Wettbewerben heraus und ließen ihre Schüler gegeneinander antreten. Gewinner war derjenige, der am längsten die schnellen Schritte durchhielt, während die Konkurrenten erschöpft zu Boden sanken. Die Tanzmeister traten aber auch selbst gegeneinander an, wobei es um das Recht ging, in einem bestimmten Dorf lehren zu dürfen. Gewonnen hatte, wer die meisten Schritte kannte. Das war für die Tanzmeister natürlich ein durchaus sehr handfester, ökonomischer Anreiz, die Tanzkunst weiter zu entwickeln.
Die Tänzer zur Zeit der Tanzmeister waren zuerst erwachsene Männer, die Treble Jigs, Reels und Hornpipes tanzten. Den auf Etikette bedachten Tanzmeistern erschienen solche gewaltvollen, "männlichen" Schritte, Battering oder Trebling, als für zarte Mädchen und Frauen völlig ungeeignet. Erst später wurde auch Frauen der Solotanz gelehrt, jedoch nur Light Dances, wobei die für sie bestimmten Schrittfolgen weniger kompliziert aufgebaut waren, dafür aber eleganter, anmutiger und wie schwebend wirken sollten. Sie lernten vorwiegend Reels und Slip Jigs, während die Jig, die als rein männlicher Tanz angesehen wurde, ihnen weitgehend vorenthalten blieb. Es dauerte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, bis auch Frauen, beginnend in Cork, die als traditionell männlich geltenden Tänze tanzten, auch wenn die männliche Dominanz fortdauerte. Jedoch wurden die Tanzschüler im 19. Jahrhundert immer jünger, bis der Solo Dance schließlich zu einer reinen Wettbewerbsdisziplin für Jugendliche und Kinder wurde.

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Irish Dance, Irish Dancing, Irischer Tanz
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Letzte Änderung: 1. Januar 2007 - © Kunst des Denkens 2003-2007
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