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Beginnend 795 kam es infolge von Überfällen und Ansiedlungen zu einer merklichen Einwanderung von Vikingern, im Wesentlichen von Norwegern, den Fingaill ['fingaìl] oder blonden Fremden, aber auch von Dänen, den Dubhgaill ['duvgaìl] oder dunklen Fremden. Diese nordischen Gall Gaidhil ['galge:ìl] oder Fremd-Iren vermischten sich in diesen und den folgenden Jahrhunderten mit den keltischen Iren, was nicht ohne Einfluss auf die Kultur blieb. Die wesentliche Form des Tanzes und seine Elemente blieben dadurch aber relativ unbeeinflusst.
Im 11. Jahrhundert wurde es wieder verstärkt üblich, dass sich das Volk auf Feiseanna traf - auch damals noch keine einfachen Tanzveranstaltungen, sondern genauso politische Treffen, Volksfeste und Handelsmärkte in einem. Die irische Tanzkultur war als Teil der Volkskultur fest verankert und eigenständig. Erst die 1169-1172 beginnende anglo-normannische Invasion und Besetzung Irlands von England aus führte zu einschneidenden auch kulturellen Veränderungen, die von da ab über die folgenden 800 Jahre in mehreren Wellen über die Iren hereinbrachen, manche zum Nutzen, viele zum Schaden.
Nach der englischen Eroberung kamen verschiedene anglo-normannische Tänze nach Irland und verschmolzen teilweise mit der irischen Tradition, die aber weiterhin eigenständig blieb, denn während der 800 Jahre andauernden englischen Besetzung Irlands war es nicht zuletzt der Tanz, der den Iren als Mittel der Demonstration ihrer kulturellen Eigenständigkeit diente. Tanzen wurde zu einer Form des Widerstandes gegen die Politik der Besatzer, jede kulturelle Eigenständigkeit der irischen Bevölkerung zu unterdrücken und die irische Identität auszulöschen.
Im Jahre 1366 wurde von ihnen aus diesen Gründen die irische Kultur und mit ihr der irische Tanz im Statut von Kilkenny verboten. Für Verstöße gegen diese Earlier Penal Laws oder Früheren Strafgesetze wurden schwerste Strafen angedroht und auch tatsächlich verhängt und ausgeführt. Dudelsackspieler wurden zu Verbrechern erklärt, und niemand durfte ihnen Unterkunft oder Unterstützung gewähren. Tanz wurde zum staatsfeindlichen Akt. Interessant ist, dass gerade aus dieser Zeit der erste direkt überlieferte schriftliche Bezug auf Tanz in Irland stammt. Anlässlich des Besuches des Bürgermeisters von Waterford bei einem Herrn O'Driscoll in Baltimore soll es 1413 Carolling, also dramatischen Gesang und Tanz, gegeben haben. 1443 gab es in Killeigh das erste große Festival der Künste nach Beginn der anglo-normannischen Besetzung Irlands. Dort versammelte sich die für diese Zeit gigantische Menge von 2700 Menschen zu Musik, Tanz und Dichtkunst.

ProvinzenCountys
Die historischen irischen 4 Provinzen und 32 Countys, sowie die heutige Lage der Republik Irland (Republic of Ireland) und von Nordirland (United Kingdom)

Die offensichtliche Widerstandskraft des irischen Tanzes gegen das Verbot von Kilkenny war sicher in dem nur losen Griff der Engländer begründet, die Irland zu dieser Zeit noch nicht flächendeckend beherrschten. Sicher ist sie jedoch auch dem Einfallsreichtum der Iren zu verdanken. Denn als Tanz galt den Engländern die Bewegung des ganzen Körpers, und so beschränkten sich die Iren fortan darauf, nur mit den Füßen zu tanzen, ansonsten aber hoch aufgerichtet und mit unbeweglichem Körper und angelegten Armen. Damit umgingen sie das Verbot, da dies kein Tanz im damaligen Sinne war - und die typische steife irische Tanzhaltung war geboren. So zumindest sagt es die Legende. In Wahrheit dürfte der Umschwung zwar etwas weniger drastisch ausgefallen sein, denn vor allem Armbewegungen oder zumindest unterschiedliche Armhaltungen gehörten auch noch Jahrhunderte später zum irischen Tanz, aber die Grundlagen der irischen Tanzhaltung, die auf der Demonstration von Trotz und Widerstandswillen beruht, dürften so tatsächlich gelegt worden sein. Statt die irische Kultur auszulöschen, trugen die Besatzer damit sogar noch zur Ausprägung des irischen Stils bei. So entstanden bis zum 16. Jahrhundert Tänze wie Rince Fáda ['riñkÉ 'fadÉ], Hey [heì] und Rince Mór ['riñkÉ mo:r], aber auch schon Jigs.
Der Rince Fáda, englisch Long Dance oder Field Dance, also Langtanz oder Feldtanz, bei dem sich Männer und Frauen in zwei langen Reihen gegenüberstanden, wurde gemeinsam mit den englischen Carols, bei denen sechs Paare tanzten, zu den Wurzeln des heutigen Céilí Dance. Es wird angenommen, dass dieser Tanz von älteren irischen Kriegstänzen abstammte, die sich zu Siegsfeiertänzen und letztlich zu einem reinen Festtagstanz entwickelten, wobei der Grundgedanke aber erhalten blieb. Darauf deutet die enge Ähnlichkeit mit dem schottischen Ring Dance ebenso hin, wie auch der bis heute erhaltene Fading Dance oder Furry Dance aus Cornwall, der auf ähnlichen urkeltischen Wurzeln basiert. Spenser bezieht sich höchstwahrscheinlich auf den Rince Fáda, wenn er 1596 von der "alten Art des Tanzens" in Irland spricht. Der Rince Fáda soll nach einer unzuverlässigen Beschreibung 1662 für den Duke of Ormonde, Lord Lieutenant von Irland, getanzt worden sein. Thomas Dineley beschreibt in seiner "Voyage through the Kingdom of Ireland" von 1681 den Long Dance als eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Iren, wobei jeder Stand teilnahm. Diese Entwicklung führte bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zu einer Form des Rince Fáda, wie sie von Francis O'Neill um 1780 beschrieben wurde. Demnach wurde der Katholik James II., der von den ebenfalls katholischen Iren als Hoffnungsträger angesehen wurde, 1689 anlässlich seiner Landung in Kinsale, County Cork, nach seinem Sturz vom englischen Thron mit einem Rince Fáda begrüßt. Interessant ist hierbei vor allem die Erwähnung von Entrechats, womit anscheinend den heute im Irish Dancing zu findende Sprungtechniken wie Switch, Wrap und Slice entsprechende Sprünge gemeint sind. Dies zeigt, dass diese Techniken schon ältere irische Tanzelemente sind, und nicht erst hundert Jahre später von den vom französischen Ballett beeinflussten Tanzmeistern eingeführt wurden.
Der Name des Hey, auch als Irish Hey oder Irish Trot bezeichnet, leitet sich vom französischen Wort "Haie" ab, das eine Reihe von Pfählen oder auch einen Lattenzaun oder eine Hecke bezeichnet, bei den französischstämmigen Besatzern aber auch für in Reihe stehende Soldaten üblich war. Dabei tanzte jeweils ein Tänzer aus einer kreisförmigen Reihe anderer Tänzer heraus, zeigte ein kleines Solo und tanzte wieder zurück, gefolgt vom nächsten Einzeltänzer. Der Hey war aber vor allem ein Rundtanz, bei dem die Frauen um die in einer kreisförmigen Reihe stehenden Männer herum tanzten. Dies war der Vorläufer des heutigen Treble Reel und von Céilí Dances im Reel-Rhythmus wie "The High Caul Cap", die vor allem auch mit schottischen Musik- und Tanztechniken korrespondieren. Der zu dieser Zeit, im 16. Jahrhundert, in Schottland getanzte Scottish Rinky, auch als Round Field-Dance bezeichnet, war dem Hey sehr ähnlich, was deutlich zeigt, dass die Tradition des Hey und damit des Reel mindestens in altirische Zeiten zurückreicht, als Schottland noch ein Ableger Irlands war, und nicht erst später durch die Iren von den Schotten übernommen wurde. Nur der Name des Reel wurde aus Schottland übernommen, während sich Musik und Tanz direkt aus der irischen Tradition des Hey weiterentwickelten.
Der Irish Hey wurde auch zum Vorläufer vieler englischer Country Dances, womit sich der Versuch der Engländer, die irische Kultur auszurotten, in sein Gegenteil verkehrte. Es war der irische Vizekönig Sir Anthony St. Leger selbst, der, schon 1540 beeindruckt von den irischen Tänzern, bei seiner Rückkehr nach England 1548 diesen Tanz mitbrachte. Schon bald wurde er so populär, dass er vom englischen Tanzmeister Dr. William Byrd standardisiert wurde. In den folgenden Jahrzehnten verschmolz der Irish Hey in England mit den auch dort noch vorhandenen alten keltischen und mit neueren Tänzen. Davon zeugt der inzwischen zu englischer Musik getanzte und vom Charakter her typisch englische "Sellengers Round", dessen Name aus "St. Leger's Round Dance" entstand.
Vom Rince Mór, dem Großen Tanz, auch Trenk Mór oder anglisiert Trenchmore genannt und von Burton in "Anatomy of Melancholy" von 1627 erstmals erwähnt, existieren keine genaueren Beschreibungen aus dieser Zeit, so dass nur der entsprechende heute bekannte gleichnamige Céilí Dance einen Eindruck davon vermitteln kann. Lediglich eine Äußerung John Playfords von 1651 deutet darauf hin, dass es sich um einen relativ wilden Massentanz handelte, an dem beliebig viele Tänzer teilnehmen konnten. Es besteht die Vermutung, dass es sich dabei um eine altirische Tradition eines Tanzes handelte, der immer dann getanzt wurde, wenn die Menschen sich auf Feiseanna oder Volksfesten versammelten.
Jigs wurden damals noch als Gruppentänze getanzt und stellen sowohl musikalisch, als auch tänzerisch eine speziell irische Entwicklung dar. Der rhythmische Unterschied zu anderen im Rest Europas zu findenden Tänzen im Dreivierteltakt ist signifikant und zeigt eine deutlich andere Traditionslinie. Auch die irisch-keltisch verwurzelten Schotten kannten die Jig im 16. Jahrhundert noch nicht. Erst später übernahmen sie diese sehr gut in die gemeinsame keltische Stilistik passende Musik- und Tanzvariante von ihren irischen Nachbarn.
Aus dem Jahr 1600 sind durch Fynes Moryson, den Sekretär von Lord Deputy Mountjoy, zwei Namen weiterer Country Dances überliefert, Balrudry, benannt nach Balrothery im Norden des County Dublin, und "The Whip of Dunboyne". Außerdem gab Moryson vage Beschreibungen von zwei Tänzen, eines "Tanzes um das Feuer" oder "Dance about a Fire" und eines Schwerttanzes, des Matachine Dance, die wie die anderen beiden oft in Gegenwart seines Vorgesetzten in den Häusern der irischen Lords vorgeführt wurden. Genaueres ist dazu aber nicht bekannt.
Heinrich VIII. war es, der ab 1515 den Kampf gegen die irische Kultur noch verschärfte, jedoch in der Realität ohne Erfolg, obwohl er selbst glaubte, das "irische Problem" endgültig gelöst zu haben. Unter der Herrschaft Elizabeth I. war die kulturelle Unterdrückung der Iren dann jedoch besonders stark, fürchteten die Engländer doch, dass Musik und Tanz den irischen Widerstandswillen stärken könnten - womit sie auch völlig Recht hatten. Es ist eine Ironie, dass gerade Elizabeth I. die irische Jig und andere irische Tänze wie den Trenchmore sehr liebte und daher irische Tänzer an ihren Hof holte, während gleichzeitig ihre Statthalter in Irland jede irische Kultur kriminalisierten und sogar blutig bekämpften. Die Iren wussten sich jedoch zu helfen. Während der Zeit der kulturellen Unterdrückung trafen sie sich in sogenannten Hedge Schools oder Heckenschulen, um versteckt hinter Büschen heimlich irische Kultur und auch irischen Tanz von den Älteren an die Jüngeren weiterzugeben. Tanz und Musik blieben jedoch gefährlich. 1571 wurde das "Execute the Harpers"- oder "Exekutiert die Harfenspieler"-Edikt verabschiedet. Ließen sich Harfen- oder Dudelsackspieler erwischen, landeten sie schnell im Gefängnis oder wurden sogar gehängt.
Während der englischen Revolution verlor die englische Regierung Irland etwas aus den Augen. Der englische Druck ließ stark nach und führte zu einer gewissen Selbständigkeit Irlands. Der Feldzug von Oliver Cromwell 1649 zur erneuten Unterwerfung Irlands nach den Revolutionswirren war jedoch noch weit schlimmer als jede bisherige Strafgerichtsbarkeit. Die englischen Truppen, unterstützt von schottischen und irischen Protestanten, führten einen Ausrottungsfeldzug gegen die Iren. Am Ende der Kämpfe waren durch direkte Massenabschlachtungen und darauffolgende Hungersnot und Pest fünf Sechstel der irischen Bevölkerung ausgelöscht, vor allem die kulturtragenden älteren Generationen. 1656 wurden irische Katholiken sogar als Sklaven in die Karibik verschickt. Auch für den irischen Tanz waren der Krieg Cromwells und seine Folgen deshalb ein entscheidender Einschnitt. Die Traditionslinie wurde ausgedünnt und schwer belastet, brach aber nicht. Zwar ging in dieser Zeit sicher viel verloren, aber die Charakteristik des irischen Tanzes blieb erhalten. Der verbliebene Rest des irischen Volkes wurde 1695 durch den Erlass der Later Penal Laws oder Späteren Strafgesetze faktisch zu illegalen Personen erklärt, die eigentlich überhaupt kein Existenzrecht hatten.
Nicht zuletzt galt den puritanischen Engländern die ausgelassene Fröhlichkeit des irischen Tanzes auch aus religiösen Gründen als obszön, verwerflich und als Werk des Teufels. Aber auch die irische katholische Kirche stand dem Tanz kritisch gegenüber, auch wenn nicht in der Schärfe wie die protestantischen Kirchen Schottlands und Irlands. Der Tanz, wo sich Vertreter beiderlei Geschlechtes trafen und sogar in direkten Körperkontakt traten, wurde als Verlockung zu Unzucht und Trunksucht angesehen, und viele durch das Zölibat sexuell ausgehungerte katholische Priester machten es sich spätestens im 17. Jahrhundert zur Aufgabe, besonders Mädchen und Frauen für ihr angeblich ungebührliches Verhalten auf Tanzveranstaltungen öffentlich bloßzustellen. Frauen, die an Tanzveranstaltungen teilnahmen, wurden als böse und als Feinde Gottes verunglimpft. Die Frau gehörte ins Haus und an den Herd - eine Position, die bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts vorherrschte und sich bis zu dieser Zeit in der irischen Republik auch in entsprechenden vom Klerus initiierten Gesetzen niederschlug. Die Lebensfreude der Iren ließ sich aber nicht trüben. Und so blieb der Tanz auch nach dieser traumatischen Zeit die beliebteste Freizeitbeschäftigung in den irischen Dörfern.
Die erste schriftliche Erwähnung der Jig als Solo Dance ist von 1674 durch Erzbischof Talbot von Dublin überliefert. Neben dem schon aus vorangegangenen schriftlichen Quellen bekannten Long Dance wurden in dieser Zeit auch weitere Tänze schriftlich erwähnt, so der Withy Dance oder Weidentanz, irisch Rince an Ghadaraigh ['riñkÉ Én 'Òadari:], der Sword Dance oder Schwertanz, irisch Rince an Chlaidhimh ['riñkÉ Én 'xli:ìv], und der War Dance oder Kriegstanz, auch Rank Dance genannt, irisch Rince Treasach ['riñkÉ 'tresax]. Die Namen der Tänze deuten darauf hin, dass es sich nicht um aus England oder Frankreich eingeführte Modetänze der Zeit handelte, sondern um traditionelle irische Tänze, eventuell sogar aus der Zeit lange vor der anglo-normannischen Invasion.
Die erste schriftliche Erwähnung der Hornpipe als irischer Tanz datiert auf 1718 und findet sich in einem privaten Nachlass. Demnach lehrte der Tanzmeister Charles Stauton den Kindern eines gewissen William Bailey in Ballincollig, West Cork, neben Jig und Country Dances auch die Hornpipe, wofür er zwei Guineen erhalten sollte. Während die Musik der Hornpipe definitiv aus England stammt, wurde der zugehörige englische Tanzstil jedoch nicht mit übernommen, sondern vollständig und rückstandslos durch irische Tradition ersetzt.

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Irish Dance, Irish Dancing, Irischer Tanz
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Letzte Änderung: 1. Januar 2007 - © Kunst des Denkens 2003-2007
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